M


 

Es war die alte Geschichte. Karl wußte es und hatte es sich schon oft gesagt, daß er nie einen Bleistift in die Innentasche seines Jacketts stecken sollte, auch nicht mit der Spitze nach oben, denn dabei blieb es nie lange.
Michael Maar, “Die Betrogenen”

Es war Samstagmorgen und Herr Taschenbier saß im Zimmer und wartete.
Paul Maar, “Eine Woche voller Samstage”

Es war Mitternacht und Herr Taschenbier saß auf dem Dach von Frau Rotkohls Haus
Paul Maar, “Neue Punkte für das Sams”

Die Ereignisse eines Vormittags sind fest in meinem Gedächtnis verankert. Es ist Frühjahr, vielleicht März. Im vergangenen Dezember hatte ich meinen vierten Geburtstag gefeiert.
Paul Maar, “Wie alles anfing - Roman meiner Kindheit”

Als ich eines Abends aus der Stadt nach Engenho Novo fuhr, traf ich in der Bahn einen jungen Mann aus meinem Viertel, den ich flüchtig kannte.
Joaquim Maria Machado de Assis, ”Dom Casmurro”

Wieder und wieder zog er tief den Geruch von Freiheit ein, wenn auch die Luft voller Staub und unerträglicher Hitze war.
Nagib Machfus, ”Der Dieb und die Hunde”

Seine Augen füllten sich mit Tränen. Obwohl er gehofft hatte, sich beherrschen zu können, und geradezu Widerwillen dagegen empfand, vor diesen Männern u weinen, glitzerte es in seinen Augen.
Nagib Machfus, ”Die Spur”

Die, welche die Gunst eines Fürsten zu erwerben trachten, pflegen sich ihm zumeist mit dem zu nahen, was ihnen von ihrer Habe das Liebste ist, oder wovon sie sehen, daß es ihm am meisten gefällt.
Niccolò Machiavelli, ”Der Fürst”

Wenn eine Figur sich hierher auf den Weg macht.
Auf dem großen Passagierdampfer, der um Mitternacht von New York nach Buenos Aires abgehen sollte, herrschte die übliche Geschäftigkeit und Bewegung der letzten Stunde.
Ariel Magnus, “Die Schachspieler von Buenos Aires”

"Guten Morgen, Sir. Wie geht es Ihnen?" "Gut", sagte ich. Was sogar der Wahrheit entsprach.
Kristof Magnusson, “Das war ich nicht”

Der Wetterbericht nach den Spätnachrichten kündigte einen weiteren heißen Tag in einer Reihe von heißen Tagen an, die Anita Cornelius wie unendlich erschien.
Kristof Magnusson, “Arztroman”

Ich will mich nicht beklagen. Ich werde gut bezahlt, nicht gemobbt, auch Überstunden gibt es kaum. Dafür, dass ich in einer Branche arbeite, in der es von Platzhirschen, Zampanos und Cholerikern nur so wimmelt, habe ich es ganz gut getroffen.
Kristof Magnusson, “Ein Mann der Kunst”

Eine lange Reihe abgasgeschwärzter Häuser, die sich in Pfützen spiegelten, trocknete an der Wäscheleine in der Küche, er stieß sie im Vorbeigehen an. Es schneite, die Autos krochen, die weißen Hauben auf den Mülltonnen waren noch unberührt.
Inger-Maria Mahlke, “Silberfischchen”

Der Radfahrer schlug mit der flachen Hand auf die Windschutzscheibe. Theresa hörte ihren Atem, saß noch immer vorgebeugt, ihr Brustkorb, wenige Zentimeter vom Lenkrad entfernt, hatte sich nicht gerührt, seit sie das Bremspedal durchgetreten hatte.
Inger-Maria Mahlke, “Rechnung offen”

Hab den Schuhkrieg gewonnen. Elf zu null für mich. Ellen war kampfeslustig, die letzten Tage hat sie nicht einmal versucht, mir welche anzuziehen.
Inger-Maria Mahlke, “Wie ihr wollt”

Es ist der 9. Juli 2015, vierzehn Uhr und zwei, drei kleinliche Minuten, in La Laguna, der alten Hauptstadt des Archipels, beträgt die Lufttemperatur 29,1 grad, um siebzehn Uhr siebenundzwanzig wird sie mit 31,3 Grad ihr Tagesmaximum erreichen. Der Himmel ist klar, wolkenlos und so hellblau, dass er auch weiß sein könnte.
Inger-Maria Mahlke, „Archipel“

Simon Ulrich steht auf dem Dach seines Hauses und blickt auf die Welt. Es ist neblig und Nacht. Von einem nahen Kirchturm schlägt es eins.
Christian Mähr, “Simon fliegt”

Ich bin wieder hier. Ich habe mich überwunden. Ich hätte auch daheim bleiben können. Daheim.
Christian Mähr, “Die letzte Insel”

Er hätte, dachte er viel später, einfach weiterfahren sollen.
Christian Mähr, ”Semmlers Deal”

Erst als er fertig war, fiel ihm auf, wie lächerlich das aussah, was sie hier machten; das blanke Hinterteil vor ihm, der hochgeschlagene Rock - und er selber mit den Hosen, die sich um die Knöchel wulsteten, dabei hatte er sich vorgenommen, nie in eine Situation zu geraten, in der er mit knöchelverhüllendem Hosenwulst hinter einer gebückten Frau stand, er hasste dieses Bild, es zerstörte alles Ernste am Sex, machte die Szene zu einer Witzzeichnung, es fehlte nur die Unterschrift, irgendein blöder Spruch.
Christian Mähr, “Alles Fleisch ist Gras”

Jede Katze braucht einen Menschen.
Christian Mähr, “Das unsagbar Gute”

Es war im August des Jahres 1891, daß ich mich genötigt sah, Wien für eine Weile zu verlassen und eine längere Urlaubsreise zu unternehmen.
C.S. Mahrendorff, “Und sie rührten an den Schlaf der Welt”

Die Hitze speichert den fauligen Gestank in der Luft und verbreitet die stickige Misere der letzten heißen Frühlingstage. Wie merkwürdig die Wirklichkeit der freudlosen Welt ist.
Ana Paula Maia, “Krieg der Bastarde”

Es ist, hat Schossau gesagt, als sei allem etwas entzogen worden, wie durch einen chemischen Vorgang, eine Substanz, die nicht mehr in den Dingen vorhanden sei, obwohl sie doch eigentlich in ihnen vorhanden sein müßte.
Andreas Maier, ”Wäldchestag”

Für Anni Schmidt war der westdeutsche Regisseur ein sehr angenehmer Nachbar gewesen. Sie erzählte Dinge, die den Umsitzenden im Nibelungenhof, besonders den Babelsbergern, doch ziemlich spießig erschienen.
Andreas Maier, ”Sanssouci”

Das Zimmer meines Onkels J. liegt im ersten Stock links zur Uhlandstraße hin, direkt gegenüber dem Badezimmer, das mein Onkel J. wahrscheinlich gar nicht benutzen durfte.
Andreas Maier, “Das Zimmer”

Niemand vermochte zu schlafen. In der Morgendämmerung würde das kleine Transportschiff seine Fahrt verlangsamen, die erste Woge der Truppen würde durch die Brandung dringen und endlang der Küste von Anopopei angreifen.
Norman Mailer, ”Die Nackten und die Toten”

Als ich mir Akeret das erste Mal vorstelle, befindet er sich auf einem Boot, und das Einzige, was er vermisst, ist eine ordentliche deutsche Toilette.
Lukas Maisel, “Buch der geträumten Inseln”

Der Tanner steht im Stall, die Stiefel im Mist, er schaut auf sein Braunvieh, auf die Carmen, die Fiona, das Vreni: Am Gesicht erkennt er sie. Er klopft die Kühe ab, eine nach der anderen, schön hintendrauf geklopft, die mögen das.
Lukas Maisel, “Tanners Erde”

Ich war noch ein Kind, da ahnte ich, daß dieses eigentümliche Lächeln einen sonderbaren kleinen Sieg für jede Frau darstellte
Andrei Makine, ”Das französische Testament”

Fidelmann, der sich selbst als einen gescheiterten Maler bezeichnete, kam nach Italien, um eine kritische Studie über Giotto vorzubereiten, deren erstes Kapitel er in einer neuen Schweinsledermappe über den Ozean gebracht hatte.
Bernard Malamud, ”Bilder einer Ausstellung”

Lesser erblickt sich in seinem einsamen Spiegel und erwacht, um sein Buch zu beenden. Er roch in der Tiefe des Winters die lebendige Erde.
Bernard Malamud, ”Die Mieter“

Es waren die Tage der 'Pest' in Neapel.
Curzio Malaparte, ”Die Haut”

Morgendämmerung und ein Himmel wie kalter Haferbrei. In den Winkeln des Daches noch ein paar Flecken nassen Schnees.
Eric Malpass, ”Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung”

In der Nacht, als sie gekommen waren, um ihren heiligen Auftrag durchzuführen, war alles sehr still.
Henning Mankell, ”Die fünfte Frau”

Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt.
Heinrich Mann, ”Der Untertan”

Da er Raat hieß, nannte die ganze Schule ihn Unrat. Nichts konnte einfache und natürlicher sein. Der und jener Professor wechselte zuweilen ihr Pseudonym. Ein neuer Schub Schüler gelangte in die Klasse, legte mordgierig eine vom vorigen Jahrgang noch nicht genug gewürdigte Komik an dem Lehrer bloß und nannte sie schonungslos beim Namen. Unrat aber trug den seinigen seit vielen Generationen, der ganzen Stadt war er geläufig, seine Kollegen benutzten ihn außerhalb des Gymnasiums und auch drinnen, sobald er den Rücken drehte...
Heinrich Mann, ”Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen”

"In einem der westdeutschen Industriezentren sollen neulich über achthundert Arbeiter verurteilt worden sein, alle zu hohen Zuchthausstrafen, und das im Laufe eines einzigen Prozesses."
Klaus Mann, ”Mephisto”

Erinnerungen sind aus wundersamem Stoff gemacht - trügerisch und dennoch zwingend, mächtig und schattenhaft.
Klaus Mann, “Der Wendepunkt”

“Was ist das. - Was - ist das ...”
“Je, den Düwel ook, c’est la question, ma très chère demoiselle!”
Die Konsulin Buddenbrook, neben ihrer Schwiegermutter auf dem gradlinigen, weißlackierten und mit einem goldenen Löwenkopf verzierten Sofa, dessen Polster hellgelb überzogen waren, warf einen Blick auf ihren Gatten, der in einem Armsessel bei ihr saß, und kam ihrer kleinen Tochter zu Hilfe, die der Großvater am Fenster auf den Knien hielt.
Thomas Mann, ”Buddenbrooks”

Glockenschall, Glockenschwall supra urbem, über der ganzen Stadt in ihren von Klang erfüllten Lüften.
Thomas Mann, ”Der Erwählte”

Ein einfacher junger Mensch reiste im Hochsommer von Hamburg, seiner Vaterstadt, nach Davos- Platz im Graubündischen. Er fuhr auf Besuch für drei Wochen.
Thomas Mann, ”Der Zauberberg”

Mit aller Bestimmtheit will ich versichern, dass es keineswegs aus dem Wunsche geschieht, meine Person in den Vordergrund zu schieben, wenn ich diesen Mitteilungen über das Leben des verewigten Adrian Leverkühn, dieser ersten und gewiss sehr vor läufigen Biographie des teuren, vom Schicksal so furchtbar heimgesuchten, erhobenen und gestürzten Mannes und genialen Musikers, einige Worte über mich selbst und meine Bewandtnisse vorausschicke.
Thomas Mann, ”Doktor Faustus”

Indem ich die Feder ergreife, um in völliger Muße und Zurückgezogenheit - gesund übrigens, wenn auch müde, sehr müde (so daß ich wohl nur in kleinen Etappen und unter häufigem Ausruhen werde vorwärtsschreiten können), indem ich mich also anschicke, meine Geständnisse in der sauberen und gefälligen Handschrift, die mir eigen ist dem geduldigen Papier anzuvertrauen, beschleicht mich das flüchtige Bedenken, ob ich diesem geistige Unternehmen nach Vorbildung und Schule denn auch gewachsen bin.
Thomas Mann, ”Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull”

Es ist auf der Albrechtstraße , jener Verkehrsader der Residenz, die den Albrechtsplatz und das alte Schloß mit de Kaserne der Garde-Füsiliere verbindet - um Mittag, wochentags, zu einer gleichgültigen Jahreszeit.
Thomas Mann, ”Königliche Hoheit”

Der Kellner des Gasthofes "Zum Elephanten" in Weimar, Mager, ein gebildeter Mann, hatte an einem fast noch sommerlichen Tage ziemlich tief im September des Jahres 1816 ein bewegendes, freudig verwirrendes Erlebnis.
Thomas Mann, ”Lotte in Weimar”

Die Wintersonne stand nur als armer Schein, milchig und matt hinter Wolkenschichten über der engen Stadt.
Thomas Mann, “Tonio Kröger”

Gustav Aschenbach oder von Aschenbach, wie seit seinem fünfzigsten Geburtstag amtlich sein Name lautete, hatte an einem Frühlingsnachmittag des Jahres 19.. , das unserem Kontinent monatelang eine so gefahrdrohende Mine zeigte, von seiner Wohnung in der Prinz-Regentenstraße in München aus, allein einen weiten Spaziergang unternommen.
Thomas Mann, ”Tod in Venedig“

Die Erinnerung an Torre di Venere ist atmosphärisch unangenehm.
Thomas Mann, ”Mario und der Zauberer”

Nun, da sich der Staub gelegt hat, können wir unsere Lage in Augenschein nehmen. Nun, da auch der letzte rote Ziegel auf dem Dach des Neuen Hauses liegt, nun, da der Ehevertrag vier Jahre alt ist.
Hilary Mantel, “Brüder”

"Und jetzt steh auf."
Niedergestreckt, benommen, stumm; er ist gefallen, der Länge nach hingeschlagen auf die Kopfsteine des Hofes. Sein Kopf wendet sich zur Seite; seine Augen richten sich auf das Tor, als könne jemand kommen, um ihm zu helfen. Ein einziger gut platzierter Schlag könnte ihn jetzt töten.
Hilary Mantel, “Wölfe”

Seine Kinder fallen vom Himmel. Er sieht vom Pferd aus zu, hinter ihm dehnen sich die Weiten Englands. Sie fallen, goldflügelig, mit blutunterlaufenem Blick.
Hilary Mantel, “Falken”

Sobald der Kopf der Königin abgetrennt ist, geht er davon. Ein stechendes Hungergefühl erinnert ihn daran, dass es Zeit für ein zweites Frühstück ist oder vielleicht für ein frühes Mittagessen. Die Umstände dieses Morgens sind neu, und es gibt keine Regeln, die uns leiten könnten.
Hilary Mantel, “Spiegel und Licht”

Der Arm des Comosees, der sich gegen Süden erstreckt und zwischen zwei ununterbrochenen Bergketten, ihrem Vorspringen oder Zurückweichen folgend, eine Reihe von Buchten und Busen bildet, verengt sich fast plötzlich und nimmt zwischen einem Vorgebirge zur Rechten und einem weiteren Uferland zur Linken Lauf und Gestalt eines Flusses an.
Alessandro Manzoni, ”Die Verlobten”

Was Gott mit mir noch vorhaben mag, weiß ich nicht. Aber bevor ich sterbe, will die Geschichte des Tages aufschreiben, an dem Lajos zum letzten Mal bei mir war und mich ausgeraubt hat.
Sándor Márai, ”Das Vermächtnis der Eszter”

Am Vormittag hielt sich der General lange in seinen Kellereien auf. Er war in der Morgenfrühe mit seinem Winzer hingegangen, um nach zwei Fässern zu sehen, in denen der Wein zu gären begonnen hatte. Als er mit dem Abfüllen fertig war und nach Hause kam, war es schon elf Uhr vorbei. Zwischen den Säulen der Veranda, die von den feuchten Steinplatten modrig roch, stand sein Jäger und überreichte ihm einen Brief.
Sándor Márai, ”Die Glut”

Ábel, der Sohn des Arztes, liegt mit dröhnendem Kopf auf dem Bett, zittrig und schweißnaß, als habe er Fieber.
Sándor Márai, “Die jungen Rebellen”

Zu Anfang September war es noch sehr heiß. An einem solchen Frühherbstnachmittag, der von der Sonne durchglüht war, studierte der junge Richter Christoph Kömüves in seinem Amtszimmer die Akten des Scheidungsprozesses.
Sándor Márai, ”Die Nacht vor der Scheidung”

Du , schau dir mal den Mann dort an. Nein, warte, jetzt nicht, dreh dich zu mir und laß uns plaudern. Ich möchte nicht, daß er herschaut und mich sieht, ich möchte nicht, daß er mich grüßt.
Sándor Márai, ”Wandlungen einer Ehe”

Das Taxi setzte mich vor der Toreinfahrt in der Via Santa Cecilia ab. Aber warum fühlte ich mich so fremd? Ich bin doch wieder zu Hause, sage ich mir, ich bin zurückgekehrt.
Dacia Maraini, ”Stimmen”

Aus der ganzen Gegend kommen sie, einfach alle kommen sie, um Ilja zu befragen. Hält sich das Wetter, Ilja? Wird es bald regnen, Ilja? Wird es eine gute Ernte, Ilja? Sollen wir das Heu einfahren?
Yulia Marfutova, “Der Himmel vor hundert Jahren”

Zwei der drei sind gestorben, seit ich Oxford verlassen habe, und das bringt mich auf den abergläubischen Gedanken, daß sie vielleicht gewartet haben, bis ich kam und meine Zeit dort zubrachte, um mir Gelegenheit zu geben, sie kennenzulernen und jetzt von ihnen sprechen zu können.
Javier Marías, ”Alle Seelen”

Ich weiß nicht, ob ich euch meine Träume erzählen soll. Es sind alte, aus der Mode gekommene Träume, die eher zu einem Jüngling als zu einem erwachsen Mann passen würden.
Javier Marías, ”Der Gefühlsmensch”

Ich weiß noch immer nicht, ob seine Absichten, wie er wiederholt bekundete, rein romantischer Natur waren, oder ob dieses ganze künstliche Unterfangen einen letzten Versuch darstellte, seinen schwindenden Ruf als unerschrockener Abenteurer wiederherzustellen; oder ob es gar - wenn ich auch nicht glaube, daß es sich so verhielt - auf die trivialen Offerten irgendeiner wissenschaftlichen Institution zurückging.
Javier Marías, ”Die Reise über den Horizont”

Ich wollte es nicht wissen, aber ich habe erfahren, daß eines der Mädchen, als es kein Mädchen mehr war, kurz nach der Rückkehr von der Hochzeitsreise das Badezimmer betrat, sich vor den Spiegel stellte, die Bluse aufknöpfte, den Büstenhalter auszog und mit der Mündung der Pistole ihres eigenen Vaters, der sich mit einem Teil der Familie und drei Gästen im Esszimmer befand, ihr Herz suchte.
Javier Marías, ”Mein Herz so weiß”

Niemand denkt je daran, daß er irgendwann eine Tote in den Armen halten könnte und daß er nicht mehr ihr Gesicht sehen wird, an dessen Namen er sich erinnert.
Javier Marías, ”Morgen in der Schlacht denk an mich”

Ich glaube, daß ich Fiktion und Wirklichkeit noch nie verwechselt habe, wenn ich sie auch mehr als einmal miteinander vermischt habe, wie es jeder tut, nicht nur die Romanciers, nicht nur die Schriftsteller, sondern alle, die seit Beginn unserer bekannten Zeit irgendetwas erzählt haben, ...
Javier Marías, ”Schwarzer Rücken der Zeit”

Das letzte Mal sah ich Miguel Desvern oder Deverne, als ihn auch seine Frau Luisa zum letzten Mal sah, was eigentlich seltsam, ja ungerecht ist, denn sie war seine Frau und ich nur eine Unbekannte, die nie ein Wort mit ihm gewechselt hatte.
Javier Marías, ”Die sterblich Verliebten”

Nicht allzu lang ist die Geschichte her - weniger lang, als ein Leben gewöhnlich dauert, und wie gering ist ein Leben, wenn es vorüber ist, sich in ein paar Sätzen erzählen lässt und im Gedächtnis nur noch Asche bleibt, die sich beim kleinsten Beben löst, davonfliegt beim geringsten Wind -, und doch wäre sie heute unmöglich.
Javier Marías, ”So fängt das Schlimme an”

Es gab eine Zeit, da war sie sich nicht sicher, ob ihr Mann ihr Mann war, wie man auch im Dämmerschlaf nicht weiß, ob man denkt oder träumt, ob man seinen Geist noch lenkt oder die Erschöpfung ihn in die Irre führt.
Javier Marías, ”Berta Isla”

Ich wurde nach alter Schule erzogen und hätte nie gedacht, dass man mir eines Tages auftragen würde, eine Frau umzubringen.
Javier Marías, ”Tomás Nevinson”

Man sollte niemals etwas erzählen noch Angaben machen oder Geschichten beisteuern oder Anlaß dazu geben, daß die Leute sich an Menschen erinnern, die niemals existiert, die niemals ihren Fuß auf die Erde gesetzt oder die Welt durchschritten haben oder wohl gewesen sind, aber sich bereits halbwegs in Sicherheit befanden im unvollkommenen, ungewissen Vergessen.
Javier Marías, ”Dein Gesicht morgen, 1 Fieber und Lanze”

Am Anfang hinterließ ich manchmal Botschaften auf der Straße. Jemand lebt im Louvre, lauteten einige dieser Botschaften. Oder in der National Gallery.
David Markson, “Wittgensteins Mätresse”

Als ich jung war, habe ich wie die meisten jungen Menschen geglaubt, ich müßte jung steben.
Monika Maron, ”Animal Triste”

Beerenbaum wurde auf dem Pankower Friedhof beigesetzt, in jenem Teil, der Ehrenhain genannt wurde und in dessen Erde begraben zu werden der Asche so bedeutender Personen wie Beerenbaum vorbehalten war.
Monika Maron, “Stille Zeile Sechs”

Ich hatte so viel gelitten, ich war ein finsterer und trauriger Mensch geworden.
Yann Martel, ”Schiffbruch mit Tiger”

Henrys zweiter Roman, den er wie den ersten unter Pseudonym veröffentlicht hatte, war ein Erfolg gewesen. Er hatte Preise bekommen und sein Buch war in Dutzenden von Sprachen erschienen.
Yann Martel, “Ein Hemd des 20. Jahrhunderts”

Tomás beschliesst zu Fuß zu gehen. Von seiner bescheidenen Wohnung in der Rua São Miguel im verrufenen Alfama-Viertel zum vornehmen Anwesen seines Onkels im baumbeschatteten Lapa ist es ein angenehmer Spaziergang, quer durch einen Großteil von Lissabon. Er wird dafür ungefähr eine Stunde brauchen. (erster Teil: Heimatlos)
Yann Martel, “Die hohen Berge Portugals”

Das erste mal habe ich Gustavo Roderer an der Bar im Club Olimpo gesehen, wo sich abends die Schachspieler von Puente Viejo einfanden.
Guillermo Martínez, “Roderers Eröffnung”

Dreißig Jahre war Simón Cardoso schon tot, als Emilia Dupuy, seine Frau, ihm zur Lunchzeit im Speiseraum von Trudy Tuesday begegnete.
Tomás Eloy Martínez, “Purgatorio”

Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus.
Karl Marx; Friedrich Engels, ”Manifest der Kommunistischen Partei”

Wie fing es eigentlich an? Was gab die Form vor, was wuchs hinterher? War erst der Bauch da und dann die Beute, oder war es umgekehrt? (“Auf Bestellung”)
Ursula März, “Fast schon kriminell - Geschichten aus dem Alltag”

Tatsächlich hatte Manfred Hügel bis zum Frühsommer 2005 noch nie mit einer Frau geschlafen, geschweige denn sich ernsthaft in eine verliebt, die mehr als sechzig Kilo wog.
Ursula März, “Für eine Nacht oder fürs ganze Leben”

Sie wand sich durch das Drehkreuz und mischt sich unter die Menge, die auf das Fährboot wartete: die Frauen in Baumwollpyjamas, die Männer mit Filzpantoffel und Goldzähnen.
Richard Mason, ”Die Welt der Suzie Wong”

Ich erinnere mich an jenen letzten Sommer, bevor ich weggeschickt wurde. Wir schrieben das Jahr 1979, und die Sonne war überall. Tripolis lag strahlend und still in sie gebettet.
Hisham Matar, ”Im Land der Männer”

Einer von uns dreien mußte es tun, und zufällig bin ich es. In dem fast vollständig geräumten ehemaligen Elternhauses warte ich auf die Ankunft des Maklers.
Nicolaas Matsier, ”Selbstporträt mit Eltern”

Erst Anfang Dezember gelang es dem Schriftsteller Ashenden, der bei Ausbruch des Krieges auf dem Kontinent gewesen war, nach England zurückzukehren.
William Somerset Maugham, ”Abstecher nach Paris”

Sie stieß einen Schreckensruf aus. "Was gibt's?" fragte er. Trotz der Dunkelheit, die im Zimmer herrschte - die Fensterläden waren geschlossen - bemerkte er, daß ihr Gesicht vor Entsetzen verzerrt war.
William Somerset Maugham, ”Der bunte Schleier”

Grau und trübe brach der Tag an. Die Wolken hingen schwer, und es war eine Rauheit, in der Luft, die an Schnee gemahnte.
William Somerset Maugham, ”Der Menschen Hörigkeit”

Ich habe die Beobachtung gemacht, daß, wenn jemand bei mir antelephoniert und, da ich außer Hause bin, die dringende Bitte hinterläßt, ihn sofort nach meiner Rückkehr anzurufen, die Sache meistens für Jemand wichtiger ist als für mich.
William Somerset Maugham, ”Rosie und der Ruhm”

Ich möchte mich nicht für die Wahrheit der Geschichte verbürgen, aber ein Professor für Französische Literatur an einer englischen Universität hat sie mir erzählt, und er war, glaube ich, ein Mann von lauterer Gesinnung, als daß er sie mir erzählt hätte, wenn sie nicht war gewesen wäre.
William Somerset Maugham, ”Schein und Wirklichkeit”

Ich gestehe, daß ich an Charles Strickland, als ich zum erstenmal seine Bekanntschaft machte, nichts bemerkte, das ihn über das Gewöhnliche hinaushob.
William Somerset Maugham, ”Silbermond und Kupfermünze”

Die Tür wurde geöffnet, und Michael Gosselyn blickte auf. Julia kam herein.
William Somerset Maugham, ”Theater”

Bertha blickte aus dem Fenster und in das raue Wetter hinaus.
William Somerset Maugham, ”Triumph der Liebe”

Die Kassiererin gab auf sein 5-Francs-Stück das Geld heraus und Georges Duroy verließ das Lokal. Stattlich gewachsen, richtete er sich auf mit der Haltung eines ehemaligen Unteroffiziers und drehte schneidig-militärisch seinen Schnurrbart zwischen den Fingern. Er warf auf die übriggebliebenen Gäste einen schnellen, flüchtigen Blick; einen jener Blicke des schönen Burschen, die unfehlbar treffen, wie der Raubvogel seine Beute.
Guy de Maupassant, ”Bel Ami”

Jeden Abend gegen elf Uhr ging man dort hin, genau so wie ins Cafe.
Guy de Maupassant, “Das Haus Tellier”

Seit fünf Monaten hatten sie sich vorgenommen, am Geburtstag der Frau Dufour eine Landpartie in die Umgegend von Paris zu machen.
Guy de Maupassant, “Die Landpartie”

Jeanne sollte ihren Vetter Jacques bald heiraten.
Guy de Maupassant, ”Vater Milon”

Die beruhigendsten Tage für mich sind jene, an denen ich die Welt durch die Linse eines Photoapparates betrachte: Die Realität um mich herum erscheint mir eingerahmt, vollständig begrenzt.
Paolo Maurensig, ”Der Schatten und die Sonnenuhr”

Die Erfindung des Schachspiels ist wahrscheinlich verbunden mit einer Bluttat.
Paolo Maurensig, ”Die Lüneburg-Variante”

Vor einiger Zeit war es mir gelungen, auf einer Auktion von Musikinstrumenten bei Christie’s in London eine Geige von Jakob Steiner, einem der geachtetsten Tiroler Geigenbauer des siebzehnten Jahrhunderts, für nur zwanzigtausend Pfund zu erwerben. Ich konnte mich glücklich schätzen, wäre ich doch bereit gewesen, jeden Preis zu bezahlen, um sie zu bekommen.
Paolo Maurensig, ”Spiegelkanon”

Es war um die Mittagszeit eines sehr heißen Junitages, als die "Dogfish", einer der größten Personen- und Güterdampfer des Arkansas, mit ihren mächtigen Schaufelrädern die Fluten des Stroms peitschte.
Karl May, ”Der Schatz im Silbersee”

Immer fällt mir, wenn ich an den Indianer denke, der Türke ein; dies hat, so sonderbar es erscheinen mag, doch seine Berechtigung. (Einleitung)
Lieber Leser, weißt du, was das Wort Greenhorn bedeutet? -- eine höchst ärgerliche und despektierliche Bezeichnung für denjenigen, auf welchen sie angewendet wird. (1. Kapitel)
Karl May, “Winnetou 1”

Ich zögerte beim Verlassen der Kapelle. Ich lehnte mich an den Pfosten der halb geschlossenen Tür.
Margaret Mazzantini, ”Die Zinkwanne”

Wie ich ein junger Bursche war, vor zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren, da habe ich in einer kleinen Stadt gewohnt, da waren sie alle hinter mir her von wegen, was ich mit Mrs. Nugent angestellt hatte.
Patrick McCabe, ”Der Schlächterbursche”

Drei Winter. Mit Pferden bahnten sie Wege durch Schneeverwehungen, sie trieben sie voran, bis sie starben, und dann aßen sie sehr traurig das Pferdefleisch.
Colum McCann, ”Der Tänzer”

Ich saß auf meinem Rucksack, hinter der Hecke, wo mein Alter mich nicht sehen konnte, und beobachtete die Langsamkeit des Flusses und ihn.
Colum McCann, ”Gesang der Kojoten”

Die Kerzenflamme und ihr im Wandspiegel gefangenes Ebenbild flackerten kurz auf, als er den Flur betrat; und noch einmal, als er die Tür schloss. Er nahm den Hut ab und trat langsam näher. Die Dielen knarrten unter den Stiefeln. Im schwarzen Anzug stand er im dunklen Glas, wo die Lilien sich so tiefblass aus ihrer taillierten geschliffenen Vase neigten.
Cormac McCarthy,   “All die schönen Pferde”

Seht das Kind. Der Junge ist blaß und mager, trägt ein dünnes, zerschlissenes Leinenhemd.
Cormac McCarthy, ”Die Abendröte im Westen”

Wenn er im Dunkel und in der Kälte der Nacht im Wald erwachte, streckte er den Arm aus, um das Kind zu berühren, das neben ihm schlief.
Cormac McCarthy, ”Die Straße”

Sie rüttelte ihn wach ins lautlose Dunkel. Scht, sagte sie. Hör auf zu brüllen. Er fuhr hoch. Was? sagte er. Was?
Cormac McCarthy, ”Draußen im Dunkel”

Als sie aus dem Grant County nach Süden zogen, war Boyd fast noch ein Kleinkind, und das frisch gegründete County Hidalgo wiederum war kaum älter als er.
Cormac McCarthy, “Grenzgänger”

Einen Jungen hab ich in die Gaskammer von Huntsville geschickt. Nur einen einzigen.
Cormac McCarthy, ”Kein Land für alte Männer”

Sie standen an der Tür, stampften sich die Wassertropfen von den Stiefeln, schwangen ihre Hüte und wischten sich die Nässe vom Gesicht.
Cormac McCarthy, ”Land der Freien”

Lieber Freund, jetzt in den staubigen zeitlosen Stunden der Stadt, wo die Straßen schwarz daliegen und im Kielwasser der Sprengwagen dampfen, jetzt, wo die Betrunkenen und Obdachlosen in den Gassen oder auf verlassenen Grundstücken im Schutz der Mauern gestrandet sind und Katzen hochschultrig und mager durch trostloses Gelände streunen, jetzt inmitten dieser rußschwarzen Ziegel und kopfsteinigen Durchgänge, wo die Schatten der Leitungsdrähte die Kellertüren in schauerliche Harfen verwandeln, wird keine Seele gehen außer dir.
Cormac McCarthy, ”Verlorene”

Sie kamen in der Morgensonne, wie eine Karawane von Schaustellern durch die mit Bartgras bewachsenen Senken und über den Hügel, der LKW schaukelte und schlingerte in den Furchen, die Musiker, die auf Stühlen auf der Ladefläche saßen, schwankten, während sie ihre Instrumente stimmten, der fette Gitarrist gestikulierte grinsend in Richtung anderer in einem Wagen dahinter, beugte sich vor, um dem Fiddler einen Ton anzugeben, und dieser drehte lauschend und mit gerunzelter Stirn an einem Wirbel.
Cormac McCarthy, “Ein Kind Gottes”

Die Straße war nun schon eine ganze Weile verlassen, noch immer weiß und glühend heiß, obwohl die Sonne schon lange den Himmel im Westen rötete.
Cormac McCarthy, “Der Feldhüter”

In der Nacht hatte es leicht geschneit, und ihr gefrorenes Haar war golden und kristallen, ihre Augen starr, kalt und hart wie Steine. Einer ihrer gelben Stiefel war vom Fuß gerutscht und stand unter ihr im Schnee.
Cormac McCarthy, “Der Passagier”

Hallo. Ich bin Dr. Cohen. Sie sind nicht der Dr. Cohen, den ich erwartet habe. Tut mir leid. Sie dachten wahrscheinlich an Dr. Robert Cohen. Ja. An Dr. Cohens herrscht wahrscheinlich kein Mangel. Wahrscheinlich nicht. Wie fühlen Sie sich? Geht es Ihnen gut?
Cormac McCarthy, “Stella Maris”

Im Juni 1933, eine Woche nach der Promotion, wurde Kay Leiland Strong, Vassar Jahrgang 1933, mit Harald Peterson, Reed Jahrgang 1927, in der Kapelle der episkopalischen St.-George-Kirche, die Pfarrer Karl F. Reiland unterstand, getraut.
Mary McCarthy, ”Die Clique”

Mein Vater und meine Mutter hätten in New York bleiben sollen, wo sie sich kennengelernt und geheiratet haben und wo ich geboren wurde. Statt dessen sind sie nach Irland zurückgekehrt ...
Frank McCourt, ”Die Asche meiner Mutter (Irische Erinnerungen)”

Es gab in der Stadt zwei Taubstumme, die man stets beisammen sah. Jeden Morgen traten sie zeitig aus dem Haus, in dem sie wohnten, um Arm in Arm sie Straße hinunter zur Arbeit zu gehen.
Carson McCullers, ”Das Herz ist ein einsamer Jäger”

Das Theaterstück - für das Briony Plakat, Programmzettel und Eintrittskarten entworfen sowie einen umgekippten Wandschirm in eine Abendkasse verwandelt und eine Sammelbüchse mit einer roten Kreppmanchette ausgeschlagen hatte - war von ihr in einem zweitägigen Schaffensrausch getrieben worden, über dem sie sogar ein Frühstück und auch noch das Mittagessen vergaß.
Ian McEwan, ”Abbitte”

Sie waren jung, gebildet und in ihrer Hochzeitsnacht beide noch unerfahren, auch lebten sie in einer Zeit, in der Gespräche über sexuelle Probleme schlicht unmöglich waren.
Ian McEwan, ”Am Strand”

Zwei ehemalige Liebhaber von Molly Lane standen wartend mit dem Rücken zur Februarkälte vor der Kapelle des Krematoriums.
Ian McEwan, ”Amsterdam”

Jeden Nachmittag, wenn sich sie ganze Stadt hinter den dunkelgrünen Fensterläden ihres Hotels zu regen begann, wurden Colin und Mary geweckt durch das systematische Bosseln von Stahlwekzeugen gegen die eisernen Lastkäne, die am Ponton des Hotelcafés vertäut lagen
Ian McEwan, ”Der Trost von Fremden”

Ich habe meinen Vater nicht umgebracht, aber manchmal kam es mir vor, als hätte ich ihm nachgeholfen.
Ian McEwan, ”Der Zementgarten”

Förderung öffentlichen Nahverkehrs wurde von der Regierung und der Mehrheit der von Ihr Regierten seit langem als Beschneidung der persönlichen Freiheit angesehen.
Ian McEwan, ”Ein Kind zur Zeit”

Es läßt sich leicht sagen, wann alles begann. Wir saßen im Sonnenschein unter einer Zerr-Eiche, die uns notdürftig gegen den starken, böigen Wind abschirmte.
Ian McEwan, ”Liebeswahn”

Henry Perowne, ein Neurochirurg, wacht einige Stunden vor Tagesanbruch auf und merkt, daß er in Bewegung ist, daß er im Sitzen die Decke zurückschlägt und aufsteht.
Ian McEwan, ”Saturday”

Seit ich, mit acht Jahren, meine bei einem Autounglück verloren habe, richtet sich mein Augenmerk auf anderer Leute Eltern.
Ian McEwan, ”Schwarze Hunde”

Lieutenant Lofting riß das Gespräch gleich an sich.
Ian McEwan, ”Unschuldige”

Er gehörte zu jener Sorte Mann - nicht wirklich attraktiv, meist kahl, klein, dick und klug -, die auf gewisse schöne Frauen erstaunlich anziehend wirkt. Jedenfalls wiegte er sich in dem Glauben, und der war bisher nicht erschüttert worden.
Ian McEwan, “Solar”

Ich heiße Serena Frome (reimt sich auf Ruhm), und vor knapp vierzig Jahren wurde ich vom britischen Nachrichtendienst auf eine geheime Mission geschickt. Sie ging nicht gut aus.
Ian McEwan, “Honig”

London. Sonntagabend, eine Woche nach dem Ende der Gerichtsferien. Nasskaltes Juniwetter. Fiona Maye, Richterin am High Court, lag zu Hause auf der Chaiselongue und starrte über ihre bestrumpften Füße hinweg quer durch den Raum.
Ian McEwan, “Kindeswohl”

So, hier bin ich, kopfüber in einer Frau. Ich warte, die Arme geduldig gekreuzt, warte und frage mich, in wem ich bin und worauf ich mich eingelassen habe.
Ian McEwan, “Nussschale”

Es war der Hoffnungsschimmer einer religiösen Sehnsucht, es war der Heilige Gral der Wissenschaft. Unsere höchsten und niedersten Erwartungen wurden geweckt von diesem wahr gewordenen Schöpfungsmythos, diesem ungeheuerlichen Akt der Selbstverliebtheit.
Ian McEwan, “Maschinen wie ich”

Als Jim Sams, klug, doch beileibe nicht tiefgründig, an diesem Morgen aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in eine ungeheure Kreatur verwandelt.
Ian McEwan, “Die Kakerlake”

Dies war die Erinnerung eines Schlaflosen, kein Traum. Wieder die Klavierstunde - der orangerot geflieste Boden, ein hohes Fenster und in dem kahlen Raum in der Nähe der Krankenstation ein neues Klavier.
Ian McEwan, “Lektionen”

Mach die Ohren auf, dann hörst du's. Sie singt, die Stadt.
Jon McGregor, ”Nach dem Regen”

Als die Bombe in den Hallen des Unrechts (Bryant Street 850, San Francisco) hochging und die Mauer zwischen Gerichtssaal Nr. 14 und den Toiletten zerstörte, fühlten sich die meisten Personen belästigt, nicht zuletzt die beiden toten V-6-Anwälte, die mit ihren Hosen um die Knöchel, die Hände fest um den Schwanz geklammert, auf etwas ähnlichem wie einem Nachttopf vor ihren Schöpfer traten.
Sean McGuffin, ”Der fette Bastard (oder Die Exegese einer multiplen Persönlichkeit)”

Rennen war so eine Sache. Der Klang, wenn deine Füße auf den Gehweg klatschten. Die Lichter vorbeifahrender Autos, die dir in die Augen stachen.
William McIlvanney, “Laidlaw”

Freitagnacht, Glasgow. Die Stadt der starren Blicke. Mickey Ballater stieg an der Central Station aus dem Zug und hatte das Gefühl, nicht in den Norden, sondern in die eigene Vergangenheit gereist zu sein.
William McIlvanney, “Die Suche nach Tony Veitch”

Aufgewacht mit Rodeo im Kopf. Spaß haben tut weh, stimmt's? Dabei ging's gestern Abend weniger darum als um Betäubung mit Whisky. Langsam ließ die Wirkung nach und die Schmerzen wurden schlimmer. Wie immer.
William McIlvanney, “Fremde Treue”

„Hol einfach tief Luft und dann los, Kleiner.“ Savannah Reid deutete auf den Leichnam, der in einem Meer von Sonnenlicht und geronnenem Blut auf dem polierten Eichenboden schwamm. „Willkommen im Morddezernat 101.“
G. A. McKevett, ”Mit Schirm, Charme und Schokolade”

Um 2 Uhr morgens Ortszeit am 2. August 1990 rollten irakische Panzer über die Grenze nach Kuwait. Nur wenige Stunden später bereitete sich mein Regiment ebenfalls auf einen Wüsteneinsatz vor.
Andy McNab, ”Signal Bravo Two Zero: als Kommandant eines Stosstrupps im Golfkrieg”

Patient schreit unablässig. Dennoch muss ich ihn für eine Weile sich selbst überlassen und gebe ihm bloß die Flasche mit dem Opium-Rhabarbersaft, in der Hoffnung, ihn so für ein paar Minuten ruhigzustellen.
Angelika Meier, “Heimlich, heimlich mich vergiss”

Rosarot leuchteten die Steinbrüche vom nahen Odenwald herüber.
Thomas Meinecke, ”Tomboy”

Nach etzlichen Tagen, als unsere Notdurft fast verzehret, fiel mir auch meine letzte Kuh umb (die anderen hatten die Wülfe, wie oben bemeldet, allbereits zerrissen), nicht ohn sonderlichen Verdacht, daß die Lise ihr etwas angetan, angesehen sie den Tag vorhero noch wacker gefressen.
Wilhelm Meinhold, ”Die Bernsteinhexe (Maria Schweidler, der interessanteste aller bekannten Hexenprozesse)”

Der Startschuss ist wörtlich zu nehmen: ein ohrenbetäubender Knall. Ihm folgt, feiner als haarfein, ein Riss.
Thomas Melle, “Sickster”

Da ist ein Mensch drin, auch wenn es nicht so scheint. Unter den Flicken und Fetzen bewegt sich nichts. Die Passanten gehen an dem Haufen vorbei, als wäre er nicht da.
Thomas Melle, “3.000 Euro”

Nennt mich Ismael. Vor vielen Jahren - wieviele es sind tut nichts zur Sache - als mein Beutel so gut wie leer war und an Land mich nichts besonderes hielt, kam mir der Gedanke, ich könnte ein bißchen zur See fahren und mir den wässerigen Teil der Welt besehen.
Herman Melville, ”Moby Dick”

In Dunkelblum haben die Mauern Ohren, die Blüten in den Gärten haben Augen, sie drehen ihre Köpfchen hierhin und dorthin, damit ihnen nichts entgeht, und das Gras registriert mit seinen Schnurrhaaren jeden Schritt.
Eva Menasse, “Dunkelblum”

Sie werden das Haus anzünden. Wir werden verbrennen. Wenn wir hinauslaufen, werden sie uns erschlagen.
Robert Menasse, ”Die Vertreibung aus der Hölle”

Ich will nur Dich. Pause. Wer ist denn die?
Robert Menasse, ”Schubumkehr”

Da läuft ein Schwein! David de Vriend sah es, als er ein Fenster des Wohnzimmers öffnete, um noch ein letztes Mal den Blick über den Platz schweifen zu lassen, bevor er diese Wohnung für immer verließ.
Robert Menasse, “Die Hauptstadt”

In dem Jahr, in dem Onofre Bouvila nach Barcelona kam, befand sich die Stadt im Zustand fieberhafter Erneuerung.
Eduardo Mendoza, ”Die Stadt der Wunder”

Schoger hatte die Schachfiguren aufgestellt. Abwartend kniff er die Lider zusammen, nahm dann einen schwarzen und einen weißen Bauern und schüttelte sie kräftig zwischen den Händen.
Icchokas Meras, ”Remis für Sekunden”

Jetzt da alles vorbei ist, wollen wir aufschreiben, wie wir es erlebt haben.
Pascal Mercier, ”Der Klavierstimmer”

Wir sind uns an einem hellen, windigen Morgen in der Provence begegnet.
Pascal Mercier, ”Lea”

Der Tag, nach dem im Leben von Raimund Gregorius nichts mehr sein sollte wie zuvor, begann wie zahllose andere Tage. Er kam um Viertel vor acht von der Bundesterrasse und betrat die Kirchenfeldbrücke, die vom Stadtkern hinüber zum Gymnasium führt. Das tat er an jedem Werktag der Schulzeit, und es war immer Viertel vor acht. Als die Brücke einmal gesperrt war, machte er nachher im Griechischunterricht einen Fehler. Das war vorher nie vorgekommen, und es kam auch nachher nie mehr vor.
Pascal Mercier, ”Nachtzug nach Lissabon”

Philipp Perlmann war es gewohnt, dass die Dinge keine Gegenwart für ihn hatten. An diesem Morgen jedoch war es schlimmer als sonst.
Pascal Mercier, ”Perlmanns Schweigen”

"Welcome home, Sir", sagte der Beamte bei der Passkontrolle am Londoner Flughafen.
Pascal Mercier, “Das Gewicht der Worte”

Vor einigen Jahren erschien ein Buch unter dem Titel "Das Manuskript des Pilgers". Es enthielt eine Auswahl origineller Aphorismen von einem Anonymus, der sein verwundetes Herz auf diese verschämte Weise der Welt offenbarte.
George Meredith, ”Richard Feverel”

Jetzt konnte Benjamin nicht länger warten. Er musste noch ein Stück weiterkriechen. Ein kleines Stück nur, er konnte den Zipfel der Tüte schon sehen. Direkt unter den Füßen der alten Frau.
Rainer Merkel, “Bo”

Immer schon hatte ich die Geographen im Verdacht, daß sie nicht wissen, was sie sagen, wenn sie das Schlachtfeld von Munda in die Gegend von Bastuli-Poeni legen, nahe dem heutigen Monda, etwa zwei (französische) Meilen nördlich von Marbella.
Prosper Mérimée, ”Carmen”

Ich bog um die Ecke der Kaiserallee, böiger Wind und eiskalter Regen schlug an meine nackten Beine, und ich dachte voll Angst daran, daß Sonnabend war. Die letzten Meter legte ich im Laufschritt zurück, verschwand im Hausflur, raste die fünf Treppen hinauf und klopfte zweimal leicht.
Robert Merle, “Der Tod ist mein Beruf”

Ich kenne einen Kinderreim. Ich summe ihn vor mich hin, wenn alles anfängt, in meinem Kopf verrückt zu spielen.
Clemens Meyer, ”Als wir träumten”

Wenn es Abend wird, stehe ich am Fenster. Ich schiebe die Lamellen der Jalousie mit den Fingern auseinander und sehe den Abendhimmel hinter den Häusern auf der anderen Seite der Straße.
Clemens Meyer, “Im Stein”

Die Mittagssonne stand über der kahlen, von Felshäuptern umragten Höhe des Julierpasses im Lande Bünden. Die Steinwände brannten und schimmerten unter den stechenden senkrechten Strahlen.
Conrad Ferdinand Meyer, “Jörg Jenatsch”

Zween geistliche Männer stiegen in der zweiten Abendstunde eines Oktobertages von dem hochgelegenen Ütikon nach dem Landungsplatze Obermeilen hinunter.
Conrad Ferdinand Meyer, “Der Schuß von der Kanzel”

Langsam fallend deckte der Schnee das blache Feld und die Dächer vereinzelter Höfe rechts und links von der Heerstraße, die aus den warmen Heilbädern an der Limmat nach der Reichsstadt Zürich führt. Conrad Ferdinand Meyer, “Der Heilige”

Bomben fielen vom Nachthimmel, als der Junge sein Gefängnis verließ, den Raum ohne Fenster, den Raum voller Bücher. Er war zehn Jahre alt und ebenso lange eingesperrt gewesen.
Kai Meyer, “Die Bücher, der Junge und die Nacht”

Wo Nacht und Norden enden, liegt über Nebeln die Feste der Schneekönigin.
Kai Meyer, “Frostfeuer”

Ich spürte Mara im ganzen Haus, obwohl sie schon lange fort war. Fühlte ihre Anwesenheit in den hohen Gängen wie einen Luftzug, sah ihren Umriss im Faltenwurf der Brokatvorhänge, hörte ihre Schritte in den barocken Sälen und auf der Freitreppe aus Marmor.
Kai Meyer, “Die Bibliothek im Nebel”

Simon Kannstatt war niemand, der sich beklagte. Er pflegte sich zusammenzureißen, seit die Trades Winds unberechenbarer waren.
Hubertus Meyer-Burckhardt, “Die Kündigung”

“Ich habe einen spannenden Job für dich, bei dem du ganz hübsch verdienen kannst, Spesen inklusive!” - der Anruf ihrer ehemaligen Kollegin kam für Susan gerade richtig. Rettend richtig, um genau zu sein.
Hubertus Meyer-Burckhardt, “Die kleine Geschichte einer großen Liebe”

Von der norddeutschen Kleinstadt, in der ich nicht geboren, aber aufgewachsen bin, braucht der Eilzug nach Hamburg keine zwei Stunden. In diesen Zug stieg ich ein und suchte mir einen Sitzplatz.
Joachim Meyerhoff, “Amerika (Alle Toten fliegen hoch, Teil 1)”

Mein erster Toter war ein Rentner.
Joachim Meyerhoff, “Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (Alle Toten fliegen hoch, Teil 2)”

Es war schon immer ganz gleich, wann ich meine Großeltern besuchte. Ob ich vier, zehn oder fünfzehn Jahre alt war, spielte keine Rolle, sie blieben immer dieselben.
Joachim Meyerhoff, “Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke (Alle Toten fliegen hoch, Teil 3)”

"Willst du dich umbringen?" Das war der erste Satz, den sie zu mir sagte, und ich habe mich später noch oft gefragt, ob mir das eine Warnung hätte sein sollen.
Joachim Meyerhoff, “Die Zweisamkeit der Einzelgänger (Alle Toten fliegen hoch, Teil 4)”

Während ich mit meiner vor wenigen Wochen volljährig gewordenen Tochter an einer Hausarbeit über Bipolarität arbeitete, wurde mir plötzlich übel. Ich stöhnte leise auf, eher nachdenklich als besorgt, und kniff die Augen zusammen.
Joachim Meyerhoff, “Hamster im hinteren Stromgebiet  (Alle Toten fliegen hoch, Teil 5)”

Das Mondlicht fällt auf das Fußende meines Bettes und liegt dort wie ein großer, heller, flacher Stein.
Gustav Meyrink, “Golem”

Die Zeit ist eine blinde Führerin.
Anne Michaels, ”Fluchtstücke”

Am 24. Oktober 1944 folgte der Planet Erde seiner Umlaufbahn um die Sonne, wie er das beflissen seit nahezu fünf Milliarden Jahren tat.
James A. Michener, ”Sternenjäger”

Ein junger Mann, jung, aber nicht blutjung, sitzt irgendwo in einem Vorzimmer, in irgendeinem Flügel im Schloss von Versailles. Er wartet. Er wartet schon lange.
Andrew Miller, “Friedhof der Unschuldigen”

Weiß Gott, ich habe lange genug in Paris gelebt, um über nichts mehr erstaunt zu sein.
Henry Miller, ”Opus Pistorum”

Es muß ein Donnerstagabend gewesen sein, als ich ihr zum erstenmal in jenem Tanzpalast begegnete.
Henry Miller, ”Sexus”

Während ich schreibe, bricht die Dunkelheit herein und die Leute gehen zum Abendessen. Ein grauer Tag ist zu Ende, wie man ihn in Paris oft erlebt.
Henry Miller, ”Stille Tage in Clichy”

Ich wohnte in der Villa Borghese. Hier ist nirgendwo eine Spur von Schmutz; kein Stuhl, der nicht an seinem Platz steht. Wir sind hier ganz allein und wie Tote.
Henry Miller, ”Wendekreis des Krebses”

Hat man erst einmal den Geist aufgegeben, folgt alles andere mit tödlicher Sicherheit, sogar mitten im Chaos.
Henry Miller, ”Wendekreis des Steinbocks”

Zahlen und Mengen haben mich als Kind sehr beschäftigt. Deutlich erinnert man doch nur das aus den ersten Lebensjahren, was man selbst gedacht oder gemacht hat.
Catherine Millet, ”Das sexuelle Leben der Catherine M.”

Hier kommt nun Eduard Bär die Treppe herunter, rumpel-di-pumpel, auf dem Hinterkopf, hinter Christopher Robin.
Alan Alexander Milne, ”Pu, der Bär”

Sveinn hängte die Letzte zum Trocknen auf, der Haken steckte in ihrem Nacken. Nach dem Aufsetzen der Köpfe würden die Hakenlöcher zum Glück von seidenweichem Haar verdeckt sein.
Gudrún Eva Mínervudóttir, “Der Schöpfer”

Seit einiger Zeit hatte Carl Kruger am Morgen das Gefühl, aufgeben zu müssen, obwohl das eigentlich nicht seine Art war. Vom Bett aus sah er zu, wie es draußen langsam hell wurde, die Straßengeräusche drangen zu ihm herauf, und ihm fiel nichts ein, wofür es sich aufzustehen lohnte.
Annette Mingels, “Der letzte Liebende”

Einige Freunde hatten sich eines Abends bei einem unserer berühmtesten Schriftsteller zusammengefunden. Nach einem opulenten Mahl kam das Gespräch auf den Mord, aus welchem Anlaß weiß ich nicht mehr, aber wahrscheinlich gab es keinen.
Octave Mirbeau, “Der Garten der Qualen”

Der Tag fing reichlich beschissen an, nämlich zu früh.
Susanne Mischke, “Stadtluft”

Vor ihm saß eine Mutter. Schon wieder.
Dror Mishani, “Vermisst”

Im Verlauf des langen Sommers, den sie zusammen in Brüssel verbrachten, gab es einen Moment, in dem das unbeschwerte Glück, das sie umfing, einen Riss bekam, durch den in sein Bewusstsein, oder genau genommen in ihrer beider Bewusstsein, sickerte, dass es auch anders sein konnte.
Dror Mishani, “Die Möglichkeit eines Verbrechens”

Anfang Dezember landete eine Boing 737 auf dem Flughafen Ben Gurion, unter den Passagieren eine junge Frau mit Kurzhaarschnitt und großen, braunen Augen.
Dror Mishani, “Die schwere Hand”

Sie hatten sich über ein Dating-Portal für Geschiedene kennengelernt.Sein Profil war einigermaßen nichtssagend, und gerade deshalb hatte sie ihn angeschrieben.
Dror Mishani, “Drei”

Kommandant Benny Saban, Chef des Ayalon-Polizeidistrikts, versuchte erst gar nicht, seine Fassungslosigkeit zu verbergen.
Dror Mishani, “Vertrauen”

Wer bläst mir da in den Nacken? Ich fuhr herum. Die Glastür mit den abgetönten Scheiben schloss sich mit einem Zischen. Das leere Foyer war hell erleuchtet.
David Mitchell, “Chaos”

"Die Sache ist ganz einfach. Ich kenne Ihren Namen, und Sie haben einmal meinen gekannt: Eiji Miyake. Ja, der Eiji Miyake."
David Mitchell, number9dream”

Jenseits des indischen Weilers, an einem einsamen Gestade, stieß ich auf eine Spur frischer Fußabdrücke.
David Mitchell, “Der Wolkenatlas”

Mein Büro bleibt absolut tabu für euch. So lautet Dads Regel. Aber das Telefon hatte schon fünfundzwanzigmal geklingelt.
David Mitchell, “Der dreizehnte Monat”

"Fräulein Kawasemi?" Orito kniet auf dem feuchten, muffigen Futon. "Hören sie mich?" Im Reisfeld hinter dem Garten bricht lärmend ein Froschkonzert los.
David Mitchell, “Die tausend Herbste des Jacob de Zoet”

Ich reiße die Vorhänge auf, und da ist der durstige Himmel und der breite Fluss voll mit Booten und Schiffen, aber ich denke schon wieder an Vinnys schokoladige Augen, Shampooschaum auf Vinnys Rücken, Schweißperlen auf Vinnys Schultern, an Vinnys schelmisches Lachen, und mein Herz tickt aus, o Gott, wäre ich doch jetzt bei Vinny in der Peacock Street und nicht in meinem dämlichen Zimmer.
David Mitchell, “Die Knochenuhren”

Der Bus fährt weiter, und Mums Worte gehen im rußigen Rumpeln unter. Gegenüber ist ein Pub, er heißt The Fox and Hounds.
David Mitchell, “Slade House”

Scarlett O’Hara war nicht eigentlich schön zu nennen. Wenn aber Männer in ihren Bann gerieten, wie jetzt die Zwillinge Tarleton, so wurden sie dessen meist nicht gewahr.
Margaret Mitchell, “Vom Winde verweht”

Ich konnte den Wald riechen. Einen herbstlichen Wald in der Dämmerung, wenn der Wind durch die Bäume fegt und das Laub raschelt. Den feuchten Duft des Waldes bei Anbruch der Nacht.
Natsu Miyashita, “Der Klang der Wälder”

Spät in der Nacht, vor sehr langer Zeit, kurz bevor ich volljährig wurde, da überquerte ich die Place des Pyramides in Richtung Concorde, als ein Wagen aus der Dunkelheit auftauchte.
Patrick Modiano, ”Unfall in der Nacht”

Von den beiden Eingängen des Cafés nahm sie immer den schmalen, der Schattentür genannt wurde. Sie setzte sich an denselben Tisch, hinten in den kleinen Raum.
Patrick Modiano, “Im Café der verlorenen Jugend”

Aber ich habe doch nicht geträumt. Zuweilen ertappe ich mich dabei, dass ich diesen Satz auf der Straße sage, als hörte ich die Stimme eines anderen.
Patrick Modiano, “Gräser der Nacht”

Höchste Zeit, die Wahrheit zu sagen. "Nichts als die Wahrheit" (Dieter Bohlen). Um falschen Erwartungen vorzubeugen, gebe ich allerdings zu bedenken, daß es “die” Wahrheit nicht gibt, sondern bestenfalls meine subjektive Wahrheit der leidigen und extrem dumm gelaufenen Affäre.
Klaus Modick, ”Bestseller”

Eine blasenförmige Zelle, losgelöst vom notorischen Azorenhoch, war vor vierzehn Tagen über die Biskaya und Frankreich hinweggezogen, ...
Klaus Modick, ”Das Grau der Karolinen”

Licht schnitt durch einen Spalt zwischen geschlossenen Jalousien, wanderte übers Rot der Terracottafliesen, dehnte sich zum Fußende des Bettes ...
Klaus Modick, ”Das Kliff”

Wie ich hineingeraten war, hätte ich nicht mehr zu sagen gewußt; ...
Klaus Modick, ”Das Licht in den Steinen”

It's time to come home, Sarah ... Hatte Dr. Gifford schließlich in seinem New Jersey-Slang genuschelt und aufgelegt, ...
Klaus Modick, ”Der Flügel”

Der Nordweststurm heulte von den Bergen des Peloponnes über die Ägäis, trieb Regenschauer vor sich her, ...
Klaus Modick, ”Der kretische Gast”

Wie ein von innen erleuchteter Globus, dessen Meere und Kontinente längst verblichen sind, hing der Vollmond im östlichen Himmel, ...
Klaus Modick, ”Der Mann im Mast”

Ein Zittern durchlief die Maschine, als die beiden Motoren angelassen wurden.
Klaus Modick, ”Die Schatten der Ideen”

Das die Haustür mit einem modernen Sicherheitsschloß versperrt sein würde, wußte ich, seit mir die Hausverwaltungsfirma den kleinen, auf beiden Seiten gezackten Schlüssel zugeschickt hatte, ...
Klaus Modick, ”Die Schrift vom Speicher”

"Mit Urlaub", meinte Trudi „mit Verreisen, mein ich", mümmelnd am abendlichen Käsebrot „wird's ja wohl nichts dieses Jahr."
Klaus Modick, ”Ins Blaue”

Wäre nicht meine Tochter gewesen, hätte ich mich glatt in sie verliebt. Unsterblich. Und auf den ersten Blick.
Klaus Modick, ”September Song”

Adventskalender sind ja sowas von meg-out, befand Miriam, verzog dabei das Gesicht zu einer Grimasse aus Abscheu und Verachtung und stülpte sich wieder den Kopfhöhrer ihres Walkmans über die Ohren.
Klaus Modick, ”Vierundzwanzig Türen”

ENDE flimmerte heute doch nicht einmal mehr über die Leinwand, ...
Klaus Modick, “Weg war weg, Romanverschnitt”

Zwischen Himmel und Meer gähnt der Morgennebel, zieht Strand und Uferstraße in seinen silbergrauen Schlund, scheint aber vor den Palmen zurückzuweichen.
Klaus Modick, “Sunset”

Im Westen ist die Luft wieder rein, ausgewaschen die bleierne Schwüle. Die regenschwere Schleppe des Sommergewitters zieht letzte Wolkenfetzen nach Osten.
Klaus Modick, “Klack”

Getuschel. Traumreste. Klatschende Flügelschläge. Wer spricht? Graue Zugvögel kreisen um einen dunklen Turm, kreischen heisere Lockrufe, Lieder in unverständlichen Sprachen.
Klaus Modick, “Konzert ohne Dichter”

Stellt euch einen Schrank vor!
Walter Moers, “Rumo & die Wunder im Dunkeln”

Wir gingen hin, weil wir dort alles bekamen. Wir gingen hin, wenn wir Durst hatten, versteht sich, aber auch wenn wir hungrig waren oder hundemüde.
J. R. Moehringer, ”Tender Bar”

Mein Gemahl und ich essen zu Abend. In seinem Bart hängt ein Fädchen Lauch.
Deborah Moggach, ”Tulpenfieber”

Es gibt eine Insel, auf der ein noch nie gesehenes Tierchen lebt. Forscher fuhren hin und entdeckten die Sensation. Sie fingen das Tierchen mit einem Netz und legten es in ein Glas mit Luftlöchern im Deckel.
Gianna Molinari, „Hier ist noch alles möglich“

Hätte jemand durch das Fenster geblickt, er hätte kaum mehr gesehen als den gebeugten Rücken einer mit großer Sorgfalt gekleideten älteren Dame, deren schneeweißer, etwas wirrer Dutt über der Kasse schwebte, von einer müden Deckenlampe in ein gnädiges Licht gehüllt.
Thomas Montasser, “Ein ganz besonderes Jahr”

Dann will ich Ihnen mal die Komödie über diese Familie servieren, die ich in meiner Jugend gekannt habe.
Rick Moody, ”Der Eissturm”

Alles läuft rund auf meiner Fahrt ins neue Leben: Mein Jeep arbeitet die Hunderte von Kilometern Autobahn souverän unter sich weg, die beiden großen Berner Sennenhündinnen pennen schicksalsergeben auf der Ladefläche hinter mir, und sogar die Katzen haben sich mit der Tatsache abgefunden, unwürdig in Käfigen transportiert zu werden.
Dieter Moor, “Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht”

Eines Tages verschwand ein Junge aus unserem Dorf.
Margriet de Moor, ”Der Virtuose”

Er steht jeden Tag um halb sieben auf. Einige Minuten vorher öffnet er ohne Zutun einer mechanischen Gewalt seine Augen und kommt zur Besinnung.
Margriet de Moor, ”Erst grau, dann weiß, dann blau”

An dem Tag, an dem das Mädchen erdrosselt werden sollte, war der Maler schon morgens in die Stadt gegangen.
Margriet de Moor, ”Der Maler und das Mädchen”

Dies ist wieder eine dieser Nächte, die ich schlaflos durchlebe. Seit Jahren schon pflege ich dann aufzustehen. Als Anfängerin tat ich das nicht.
Margriet de Moor, “Schlaflose Nacht”

Es gibt etliche Leute, die behaupten, sie hätten es an jenem Nachmittag sofort gemerkt. Sie erinnern sich, daß er ins Wirtshaus gekommen war, gutaussehend, mit einem Filzhut auf dem Kopf, und alle sind sich einig, daß seine Streuneraugen über die Kneipengäste wanderten, bis sie Lucie herausgepickt hatten.
Margriet de Moor, “Herzog von Ägypten”

Als seine Freundin ging, weinte Fergus.
Brian Moore, ”Strandgeburtstag”

Nachdem er eingecheckt hatte und auf sein Zimmer gegangen war, stellte Caleb sich vor den Ankleidespiegel, der außen an der Badezimmertür angebracht war, und betrachtete seine Stirn.
Jonathan Moore, “Poison Artist”

In Paris essen wir jeden Abend Hirn. Mein Mann mag den luftigen, fischartigen Schaum.
Lorrie Moore, ”Die Froschkönigin”

Ich pflege sonst nicht mit meinen Studenten in die Bar zu gehen. Es ist fast immer ein Fehler. Aber Cornelius hatte Probleme mit der Ironie.
Susanna Moore, ”Aufschneider”

Nennen wir die Zeit jetzt, nennen wir den Ort hier. Beschreiben wir beides wie folgt.
Eine Stadt, ein östlicher Bezirk davon. Braune Straßen, leere oder man weiß nicht genau womit gefüllte Lagerräume und vollgestopfte Menschenheime, im Zickzack an der Bahnlinie entlang laufend, in plötzlichen Sackgassen an eine Ziegelsteinmauer stoßend. Ein Samstagmorgen, seit kurzem Herbst.

Terézia Mora; “Alle Tage”

Sie beugte sich über ihn, ihre Brüste schwangen nach vorn, ein Duft stieg ihren Bauch entlang hoch, er hob den Kopf ein wenig, um ihren Nabel zu sehen: eine kleine Muschel, mit einer oberen Krempe; er freute sich über den Anblick, doch dieser war nur die erste Etappe, was ihn wirklich interessierte, war die Fortsetzung: der mit einer kleinen Stufe ansteigende Unterbauch, die schokobraunen Schamhaare und, je nach ihrer aktuellen Dichtigkeit, eventuell sogar die Schamlippen - doch ausgerechnet hier geriet etwas durcheinander, ein Arm schob sich ins Bild, was macht sie da, streicht sie sich eine Strähne aus dem Gesicht?, unter dem Ellbogen blitzte eine  Gruppe Stockrosen auf, dazwischen stach die Sonne herein - Nein!, sagte er. - Oh, sagte sie, du schläfst noch. - Ja, sagte er im Schlaf.
Terézia Mora; “Der einzige Mann auf dem Kontinent”

Sie beugte sich über ihn, ihre Brüste schwangen nach vorn, ein Duft stieg ihren Bauch entlang hoch, er hob den Kopf ein wenig, um ihren Nabel zu sehen, eine kleine Muschel, mit einer oberen Krempe, er freute sich über den Anblick, aber was ihn wirklich interessierte, war die Fortsetzung, der in einer kleinen Stufe ansteigende Unterbauch, die schokobraunen Schamhaare, aber ausgerechnet hier geriet etwas durcheinander, ein helles Flattern störte das Bild, gleichzeitig polterten Stimmen herein, es waren mehrere, darunter mindestens ein Mann und eine Frau, sie redeten und lachten, nicht ganz nah, in einem benachbarten Raum, redeten unverständlich und lachten, und so wie gerade erst große Freude („Da bist du ja!“) und Bangen (“Das ist alles nur ein Traum das darfst du nicht denken sonst ist er vorbei“) in immer heißer werdenden Wellen Darius Kopp fluteten, schlug jetzt der Zorn zu, das war am heißesten, ein wildes Hämmern hob in seinem Kopf an, Vorschlaghammer auf Metallplatte, infernalisch, unbändig: Zorn.
Terézia Mora; “Das Ungeheuer”

Ich kann nicht anders, als glücklich zu sein. Darius Kopp stand in der Mitte des Gartens, auf dem freien Platz zwischen Blumenbeet und Olivenbäumen, und sah zum Vulkan hinauf. Es war noch so früh am Morgen, dass der Garten dunkel und feucht war, aber oben war die Sonne schon aufgegangen.
Terézia Mora; “Auf dem Seil”

Nachdem sie meine Mutter mit Blaulicht weggebracht hatten, ging ich in den Hof, wo das Fahrrad stand, und schon wieder hatte es einen Platten. Ihr miesen Arschlöcher! Der Innenhof schallte.
Terézia Mora; “Muna oder Die Hälfte des Lebens”

Mit sechzehn Jahren war ich wirklich eine Schönheit.
Alberto Moravia, ”Die Römerin”

Wenn wir bloß sinken würden ..., seufzte die junge Frau, die an der Reling des Passagierschiffs lehnte, während ihre kurzen Haare im Wind flatterten. (Prolog); Tausende Kilometer von dem Ort entfernt, an dem Sie sich befinden, in einem Land, in einer Stadt, in einer von vielen Buchhandlungen schlug ein Buchhändler die Augen auf. Er hatte das Dingelingdingeling der Eingangstür seiner Buchhandlung gehört. (Anfang)
Régis de sá Moreira, ”Das geheime Leben der Bücher”

An einem Januarnachmittag des Jahres 1915 kroch über die flache holländische Landschaft ein kurzer Eisenbahnzug, der eine Gruppe englischer Offiziere unter Bewachung in die Gegend von Bodegraven führte.
Charles Morgan, ”Der Quell”

Man sollte meinen, es hätte irgendeine Warnung geben müssen, aber ich habe nichts dergleichen verspürt. Die Ereignisse hatten bereits ihren Lauf genommen.
Marlo Morgan, “Traumfänger”

Das braunhäutige Gesicht des achtzehnjährigen schwangeren Mädchens glänzte, während ihr der Schweiß übers Gesicht lief und von ihrem zitternden Kinn tropfte.
Marlo Morgan, “Traumreisende”

Ein heiterer Juniusnachmittag besonnte die Straßen der Residenzstadt. Der ältliche Baron Jaßfeld machte nach längerer Zeit wieder einen Besuch bei dem Maler Tillsen, und nach seinen eilfertigen Schritten zu urteilen, führte ihn diesmal ein ganz besonderes Anliegen zu ihm.
Eduard Mörike, ”Maler Nolten”

Es war ein heißer Sommer, der heißeste Sommer in diesem Jahrhundert. Neunzehnhundertsiebenundfünfzig.
Marcel Möring, ”Das große Verlangen”

Dass es einen Anfang gibt, der anfängt, und ein Ende, das endet, und dass das Ende anfängt und der Anfang endet und dass Ebbe und Flut der Zeit heranschwappen und sich zurückziehen und das Treibholz dessen zurücklassen …
Marcel Möring, “Amen”

In Pyrmont, einem Orte, der wegen seines Gesundbrunnens berühmt ist, lebte noch im Jahr 1756 ein Edelmann auf seinem Gute, der das Haupt seiner Sekte in Deutschland war, die unter dem Namen der Quietisten oder Separatisten bekannt ist, und deren Lehren vorzüglich in den Schriften der Mad. Guion, einer bekannten Schwärmerin, enthalten sind, die zu Fénelons Zeiten, mit dem sie auch Umgang hatte, in Frankreich lebte.
Karl Philipp Moritz, ”Anton Reiser (ein psychologischer Roman)”

Wir waren eine richtige Familie. Damals, als es fast nur richtige Familien gab.
Rainer Moritz, ”Ich Wirtschaftswunderkind”

Der Aufzug kam nicht. Wenn man diese altertümliche Kabine überhaupt Aufzug nennen wollte. Er rüttelte an dem abgewetzten Handgriff, doch die metallene Schiebetür machte keinerlei Anstalten, sich ächzend aufzufalten.
Rainer Moritz, “Madame Cottard und eine Ahnung von Liebe”

Wenn es Sie einmal nach Brooklyn verschlägt, einen Ort, der prachtvolle Sonnenuntergänge und den erhebenden Anblick von Kinderwagen bietet, die von Ehemännern geschoben werden, hoffe ich um Ihretwillen, dass der Zufall Sie auch in jene ruhige Nebenstraße führt, in der sich eine höchst bemerkenswerte Buchhandlung befindet.
Christopher Morley, “Das Haus der vergessenen Bücher”

Pfh, die Frau, die kenne ich. Die hat immer mit einer Schar Vögel in der Lenox Avenue gewohnt. Ihren Man kenne ich auch.
Toni Morrison, ”Jazz”

Die 124 war böse. So tückisch wie ein Kleinkind. Die Frauen im Haus wussten das, und die Kinder auch. Jahrelang fand sich jeder auf seine Weise mit der Bosheit ab, aber im Jahre 1873 litten bloß noch Sethe und ihre Tochter Denver darunter.
Toni Morrison, ”Menschenkind”

Mit fünf Jahren sah ich zum ersten Mal ein Klavier. Es stand bei meinem Kindergartenfreund Edi zu Hause, eine dunkelbraune Kommode mit schimmernden Pedalen und lackglänzenden weißen und schwarzen Tasten, höchst geheimnisvoll. Edis Mutter merkte, wie beeindruckt ich war und spielte ein paar Töne. Es war ein Zauberkasten!
Petra Morsbach, ”Der Cembalospieler”

Heute, ausgerechnet am letzten Adventssonntag, hat er einen dummen Fehler gemacht; zumindest sieht es so aus. Nachfragen darf er nicht, also hadert er.
Petra Morsbach, ”Gottesdiener”

"Wann immer ich draußen erzähle, daß ich am Theater arbeite, sagen die Leute, man soll die Subventionen streichen", weiß Jan zu berichten. "Und dann fragen sie empört nach Skandalen, Abfindungen und Riesengagen, von denen sie in der Zeitung gelesen haben. Sie schimpfen auf die Kunst, weil die Künstler sich schlecht benehmen. ..."
Petra Morsbach, “Opernroman”

Ljusja ist vierundzwanzig Jahre alt, hat ein uneheliches Kind und arbeitet in der Kugellagerfabrik ‚Fortschritt’; das heißt, in diesem Augenblick sitzt sie in ihrem Zimmerchen in einer kommunalen Wohnung auf der Petrograder Seite und träumt von der Liebe. Wir sind in Leningrad, im Februar des Jahres neunzehnhundertfünfzig.
Petra Morsbach, ”Plötzlich ist es Abend”

Eine Frau kommt über den Rasen auf mich zu und fragt: "Ist das hier das Künstlerhaus?"
Petra Morsbach, “Dichterliebe”

Schon Thirzas Mutter wäre gern Richterin geworden. Doch dann kam Carlos Zorniger dazwischen.
Petra Morsbach, “Justizpalast”

Kürzlich hatte der siegreiche König von England Heinrich, der achte mit Namen, ein mit allen Tugenden eines hervorragenden Fürsten gezierter Herrscher, einige nicht belanglose Meinungsverschiedenheiten mit Karl, dem erhabenen König von Kastilien und schickte zu ihrer Behandlung und Regelung mich als Gesandten nach Flandern.
Thomas Morus, ”Utopia”

Wer eine Wohnung sucht, hat es mit einem der seltenen Augenblicke zu tun, in denen der Mensch wirklich einmal glauben darf, über die Zukunft seines Lebens zu entscheiden, denn im Wohnen, so vieldeutig dies Wort eben ist, liegt doch das ganze Leben beschlossen.
Martin Mosebach, ”Der Mond und das Mädchen”

Ein großes braunes Blatt flog in einer weiten Kurve durch das Lampenlicht und legte sich neben mein Glas auf den lackierten Blechtisch.
Martin Mosebach, ”Die Türkin”

"Wie war das ...?" "Wie war was?" "Als es mich noch nicht gab?" "Das war, als ich ein halbes Jahr allein in Frankfurt lebte ..." "Wie war das, als du allein in Frankfurt gelebt hast?" "Ach, das war nichts Besonderes, das war so ..."
Martin Mosebach, “Was davor geschah”

Am ersten Oktober lag Lotti mit einem feuchten Waschlappen über den Augen im Bett.
Milena Moser, ”Blondinenträume”

Vier Tage war meine Mutter nicht ansprechbar. Sie saß auf der Treppe, die zur Terrasse führte, und zupfte sich mit der Pinzette die Härchen einzeln von den Beinen.
Milena Moser, ”Mein Vater und andere Betrüger”

Seit sieben Jahren bin ich tot, gestern seit sieben Jahren, um genau zu sein. Lily hat Blumen auf mein Grab gelegt, Frank nicht, und beide haben sie beim Abendessen den Jungen genau beobachtet.
Milena Moser, ”Bananenfüße”

Sie hieß Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie ermordet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche.
Ottessa Moshfegh, “Der Tod in ihren Händen”

Um es vorweg zu nehmen: es ist längst nicht so gut gelaufen, wie wir uns das vorgestellt hatten.
Henri Mosnat, ”Das süße Gift der Freiheit oder das liederliche Leben des Eduard M.”

Die Firma lebt. Sie lebt in ihren Mitarbeitern weiter. Seit fünfzehn Jahren außer Dienst, nicht mehr im Amt und sowieso noch nie in Würden, aber noch immer auf den Beinen und somit nicht aus der Welt.
Stefan Moster, “Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels”

An einem hellen Mittag im Juni 1964 versucht Jakob Flieder, seine Frau zu töten. Er folgt keinem heimtückischen Plan, sondern handelt im Affekt, wie sein Schwiegersohn, der unmittelbar daneben steht, später bezeugt. Er will sie lediglich zum Schweigen bringen.
Stefan Moster, “NERINGA oder Die andere Art der Heimkehr”

Wenn man ein Fernglas hätte, denkt der schwedische Seemann im gelben Overall, könnte man dort, wo Jalousien und Fensterläden bereits offen sind, wohlhabende Deutsche in ihren Wohnungen sehen, Frauen in Wäsche vielleicht, das wäre ein Zeitvertreib, jetzt, da es so langsam vorangeht, im Schritttempo nur.
Stefan Moster, “Lieben sich zwei”

Die Freundschaft zwischen Klaus und Oda fing mit dem Zuwurf eines Fisches an.
Stefan Moster, “Die Frau des Botschafters”

In der Vorstellung ist das Meer immer blau. Bitte ein Kind, den Ozean zu malen, und es weiß sofort, nach welcher Wachsmalkreide es zu greifen hat.
Stefan Moster, “Alleingang”

Am Flughafen, beim Übergang vom luftseitigen in den landseitigen Bereich, hat er insgeheim auf eine persönliche Begrüßung gehofft, sich aber vergeblich nach einem Schild oder Bildschirm mit der Aufschrift Simon Abrameit umgesehen und eine leichte Enttäuschung nicht leugnen können.
Stefan Moster, “Bin das noch ich”

Es war Abend, ungefähr halb acht. Für einige Stunden hatten im Kanonenofen leise ein paar Holzscheite gebrannt, doch jetzt war er kalt.
Harry Mulisch, ”Das Attentat”

Augenblick! Was ist? Auftrag ausgeführt. Die Sache ist rund. Welche Sache? Ja, entschuldigen Sie bitte Das Allerwichtigste. Die Hauptsache. Die Hauptsache? Wovon redest Du? Vom Testimonium.
Harry Mulisch, ”Die Entdeckung des Himmels”

Klar, ich kann natürlich mit der Tür ins Haus fallen und mit einem Satz beginnen wie 'Das Telefon läutete'. Wer ruft wen an? Warum?
Harry Mulisch, “Die Prozedur”

Der Gong schlägt dreimal, langsam verlöscht das Licht, und mit dem leisen Rauschen des Vorhangs verbreitet sich der dumpfe Geruch künstlichen Lebens.
Harry Mulisch, ”Höchste Zeit”

Als das Fahrgestell hart auf den Beton aufsetzte, schreckte Rudolf Herter aus einem tiefen, traumlosen Schlaf.
Harry Mulisch, ”Siegfried”

Im Herbst 1998 hatten wir eine Themenwoche in der Schule. Es ging um unsere Heimat, also um Leipzig. Und dazu gehörte auch ein Ausflug in das alte Rathaus am Markt.
Domenico Müllensiefen, “Aus unseren Feuern”

Die Ameise trägt eine tote Fliege. Die Ameise sieht den Weg nicht, sie dreht die Fliege um und kriecht zurück.
Herta Müller, ”Der Fuchs war damals schon der Jäger”

Alles, was ich habe, trage ich bei mir. Oder: Alles Meinige trage ich mit mir.
Herta Müller, “Atemschaukel”

Das Städtchen Parisey liegt, umgeben von flimmernden Pappelhaien, in der Ebene bei den Kiesseen, die das Sonnenlicht in den Himmel zurückwerfen und starke Helligkeit verbreiten.
Sibylle Mulot, ”Nachbarn”

Ich trat meine Reise nach Rußland von Haus ab mitten im Winter an, weil ich ganz richtig schloß, daß Frost und Schnee die Wege durch die nördlichen Gegenden von Deutschland, Polen, Kur- und Livland, welche nach der Beschreibung aller Reisenden fast noch elender sind als die Wege nach dem Tempel der Tugend, endlich, ohne besondere Kosten hochpreislicher, wohlfürsorgender Landesregierungen, ausbessern müßte. Ich reiste zu Pferde, welches, wenn es sonst nur gut um Gaul und Reiter steht, die bequemste Art zu reisen ist. Denn man riskiert alsdann weder mit irgendeinem höflichen deutschen Postmeister eine Affaire d'honneur zu bekommen, noch von seinem durstigen Postillion vor jede Schenke geschleppt zu werden. Ich war nur leicht bekleidet, welches ich ziemlich übel empfand, je weiter ich gegen Nordost hin kam.
(Münchhausen) Gottfried August Bürger, ”Reise nach Rußland und St. Petersburg”

Aus dem Radio des Taxis ertönte das Klassikprogramm eines UKW-Senders. Die Sinfonietta von Janáček. Nicht eben die passendste musikalische Untermalung, um mit einem Taxi im Stau festzustecken. Der Fahrer, ein Mann mittleren Alters, schien auch nicht besonders hingebungsvoll zuzuhören.
Haruki Murakami, “1Q84, Buch 1 & 2”

"Herr Ushikawa, würden Sie bitte nicht rauchen." Ushikawa sah den stämmigen kleinen Mann an, der ihm an seinem Schreibtisch gegenübersaß, und blickte dann auf die noch nicht angezündete Seven Stars zwischen seinen Fingern.
Haruki Murakami, “1Q84, Buch 3”

Vor uns liegt eine Großstadt. Mit den Augen eines hoch am Himmel fliegenden Nachtvogels nehmen wir die Szenerie wahr. Aus dieser Höhe wirkt die Stadt wie ein riesiges Lebewesen.
Haruki Murakami, ”Afterdark”

Ich bin am vierten Januar 1951 geboren, in der ersten Woche des ersten Monats des ersten Jahres der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Haruki Murakami, ”Gefährliche Geliebte”

Der Aufzug fuhr ungemein träge aufwärts. Jedenfalls vermutete ich, dass er sich aufwärts bewegte, genau wusste ich es nicht. Er fuhr so langsam, dass ich mein Richtungsgefühl verlor.
Haruki Murakami, ”Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt”

"An Geld bist du jetzt auch irgendwie gekommen, ja?", sagte der Junge namens Krähe in seiner üblichen, etwas schwerfälligen Sprechweise, als wäre er gerade aus dem Tiefschlaf erwacht und als funktionierten seine Sprechmuskeln noch nicht richtig.
Haruki Murakami, ”Kafka am Strand”

Als das Telefon klingelte, war ich in der Küche, wo ich einen Topf Spaghetti kochte und zu einer UKW-Übertragung der Ouvertüre von Rossini 'Die diebische Elster' pfiff, was die ideale Musik zum Pastakochen sein dürfte.
Haruki Murakami, “Mister Aufziehvogel”

Ich war siebenunddreißig Jahre alt und saß in einer Boing 747. In ihrem Anflug auf Hamburg tauchte die riesige Maschine in eine dichte Wolkenschicht ein.
Haruki Murakami, ”Naokos Lächeln”

Im Frühling ihres zweiundzwanzigsten Lebensjahres verliebte sich Sumire zum allerersten Mal. Heftig und ungezügelt, wie ein Wirbelsturm über eine weite Ebene rast, fegte diese Liebe über sie hinweg.
Haruki Murakami, ”Sputnik Sweetheart”

Ich träume oft vom Hotel Delphin.
Haruki Murakami,Tanz mit dem Schafsmann”

Von ihrem Tod erfuhr ich durch einen Freund am Telefon. Er hatte es zufällig in der Zeitung gelesen.
Haruki Murakami, ”Wilde Schafsjagd”

Vom Juli seines zweiten Jahres an der Universität bis zum Januar des folgenden Jahres dachte Tsukuru Tazaki an nichts anderes als an den Tod.
Haruki Murakami, ”Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki”

"So etwas wie ein vollkommener Stil existiert nicht. Ebenso wenig wie vollkommene Verzweiflung", erklärte mir ein Schriftsteller, den ich als Student zufällig kennengelernt hatte.
Haruki Murakami, ”Wenn der Wind singt”

Es gab eine Zeit, in der ich eine beinahe krankhafte Vorliebe für Geschichten über mir unbekannte Gegenden hatte.
Haruki Murakami, ”Pinball 1973”

Vom Mai jenes Jahres bis zum Beginn den nächsten lebte ich an einem Berg nahe dem Eingang eines engen Tals, in dem es im Sommer unablässig regnete.
Haruki Murakami, “Die Ermordung des Commendatore (Band 1, Eine Idee erscheint)”

Auch am Sonntag war herrliches Wetter. Es wehte ein leichter, kaum spürbarer Wind, und die herbstliche Sonne brachte das Laub, das die Berghänge in den verschiedensten Farben sprenkelte, wunderschön zum Leuchten.
Haruki Murakami, “Die Ermordung des Commendatore (Band 2, Eine Metapher wandelt sich)”

Du hast mir von der Stadt erzählt.
An jenem Sommerabend wanderten wir, den süßen Duft von Gräsern atmend, flussaufwärts. Mehrmals stiegen wir die Kaskaden kleiner Wasserfälle hinauf und blieben hin und wieder stehen, um die schlanken silbrigen Fischlein in den Tümpeln zu beobachten.

Haruki Murakami, “Die Stadt und ihre ungewisse Mauer”

Als ich Finn an der Straßenecke auf mich warten sah, wußte ich sofort, daß etwas schief gegangen war.
Iris Murdoch, ”Unter dem Netz”

An einem Spätsommertag des Jahres 73 wurden dem Ausländer Zerutt, Constantin, Alter ca. 60, Herkunft ungeklärt, in seiner Wohnung Badgasse 23a folgende Verletzungen beigebracht: ein Lungensteckschuß, ein Schulterdurchschuß, ein Streifschuß beim linken Auge; fünf weitere Schüsse wurden in den Türrahmen der Altwohnung abgegeben.
Adolf Muschg, ”Albissers Grund”

Ich hatte versucht, vom Gästehaus ins Zentrum zu laufen, und mich in der Entfernung verschätzt.
Adolf Muschg, ”Baiyun oder die Freundschaftsgesellschaft”

Sie müssen sterben, sagt Dr. Buitenhuis. Ich warte. Da muß doch noch etwas kommen. Das kann doch nicht alles gewesen sein.
Adolf Muschg, ”Das Licht und der Schlüssel”

Die Speisekarte ist robust und fleckig; sie ist seit Wochen m Dienst.
Adolf Muschg, ”Im Sommer des Hasen”

Der erste Anruf kam am 2. November, auf den Tag genau fünf Wochen seit dem Tod seiner Frau.
Adolf Muschg, ”Sutters Glück”

Trotz aufgeklebter Warnung war der Briefkasten, den Paul Neuhaus eine Woche nicht mehr geleert hatte, mit Reklame verstopft – er war keine Anlaufstelle freudiger Erwartung mehr. Unter vielen Rechnungen fand sich aber auch ein großer Brief mit japanischer Frankierung: An «Herrn Professor Paul Neuhaus» und «Frau Professorin Suzanne Schawalder».
Adolf Muschg, „Heimkehr nach Fukushima“

Über dem Atlantik befand sich ein barometrisches Minimum; es wanderte ostwärts, einem über Russland lagerndem Maximum zu und verriet noch nicht die Neigung, diesem nördlich auszuweichen. Die Isothermen und Isotheren taten ihre Schuldigkeit. Die Lufttemperatur stand in einem ordnungsgemäßen Verhältnis zur mittleren Jahrestemperatur, zur Temperatur des kältesten wie des wärmsten Monats und zur aperiodischen monatlichen Temperaturschwankung. Der Auf- und Untergang der Sonne, des Mondes, der Lichtwechsel des Mondes, der Venus, des Saturnringes und viele andere bedeutsame Erscheinungen entsprachen ihrer Voraussage in den astronomischen Jahrbüchern. Der Wasserdampf in der Luft hatte seine höchste Spannkraft, und die Feuchtigkeit der Luft war gering. Mit einem Wort, das das Tatsächliche recht gut bezeichnet, wenn es auch etwas altmodisch ist: Es war ein schöner Augusttag des Jahres 1913.
Robert Musil, ”Der Mann ohne Eigenschaften, Teil 1”

Der Mann, der am Grab des Dichters in Agathes Leben getreten war, Professor Augustus Lindner, sah, talwärts steigend, Bilder der Rettung vor sich.
Robert Musil, ”Der Mann ohne Eigenschaften, Teil 2”

Es gibt im Leben eine Zeit, wo es sich auffallend verlangsamt, als zögerte es weiterzugehen oder wollte seine Richtung ändern.
Robert Musil, „Drei Frauen“

Eine kleine Station an der Strecke, welche nach Rußland führte. Endlos gerade liefen vier parallele Eisenstränge nach beiden Seiten zwischen dem gelben Kies des breiten Fahrdammes; neben jedem wie ein schmutziger Schatten der dunkle, von dem Abdampfe in den Boden gebrannte Strich.
Robert Musil, ”Die Verwirrungen des Zöglings Törleß”

Der Autor des mystischen Werkes Loreleï Strange, der seit nahezu zwanzig Jahren von der literarischen Bühne verschwunden ist, fasziniert auch heute noch Leser jeden Alters.
Guillaume Musso, “Ein Wort, um dich zu retten”

Man sagt, daß aus jungen Huren alte Betschwestern werden. Aber das trifft bei mir nicht zu.
Josefine Mutzenbacher, ”Die Lebensgeschichte einer wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt”

Es hat mir immer Spaß gemacht, etwas wie ein Tagebuch zu führen. Es macht einem viel Freude, solche Sachen später manchmal durchzulesen und sich manches in die Erinnerung zurückzurufen.
Josefine Mutzenbacher, ”Meine 365 Liebhaber, die Fortsetzung meiner Lebensgeschichte”

Wo ist das Leben geblieben?
Jeden Tag ertappe ich mich dabei, das ich dem Spiegel die immer gleiche Frage stelle, und doch bleibt mir die Antwort stets versagt. Ich sehe bloß einen Fremden, der mir entgegenstarrt.

Benjamin Myers, “Offene See”

[Top]